RE (1) Klauenrehe (Pododermatitis solearis aseptica diffusa, Laminitis) und assoziierte Erkrankungen
Definition: Die Klauenrehe (Laminitis) entsteht infolge einer Stoffwechsel- und Durchblutungsstörung der Lederhaut, die durch Fütterungsfehler (Fermentationsstörungen im Pansen) im Zusammenwirken mit einer Überlastung der Klauen (harte Laufflächen, lange Stehzeiten) bedingt wird. Die Folgen werden an den Klauen innerhalb von Stunden (perakute Klauenrehe), Tagen (akute bis subakute Klauenrehe) oder Wochen (chronische Klauenrehe) sichtbar. Die subakute Rehe verläuft im Anfangsstadium meist symptomlos und bleibt daher zunächst unbemerkt (subklinische Klauenrehe).
Entstehung und Ursachen: Der lebende Anteil der Klaue (die Lederhaut oder „das Leben“) ist beim gesunden Rind eng mit dem Hornschuh verbunden. Nach fütterungsbedingten Fermentationsstörungen oder schweren, mit Blutvergiftung einhergehenden Krankheiten kommt es vor allem im Wandbereich des Hornschuhs zur Lösung der Lederhaut vom Horn. Die Belastung durch das Körpergewicht führt zum Absinken des Klauen- und Sesambeines im Hornschuh, was eine Quetschung und Schädigung der Sohlenlederhaut nach sich zieht. Die auf Diffusionsprozessen beruhende Hornproduktion wird durch die gestörte Durchblutung der Lederhaut stark beeinträchtigt. Serum oder sogar rote Blutkörperchen werden aus den Blutgefäßen herausgepresst und gelangen in das Sohlenhorn, wo sie später als Einschlüsse (so genannte Einblutungen) im nachwachsenden Sohlenhorn sichtbar werden. Die exakte Ursache der Klauenrehe ist bisher nicht geklärt. Der Fütterung und der Wasserversorgung kommt im Krankheitsgeschehen eine zentrale Bedeutung zu. Fehlgärungen im Pansen in deren Folge biologisch aktive Botenstoffe des Körpers freigesetzt werden bedingen ein Loslösen der Lederhaut vom Hornschuh. Eine Belastung der Klauen durch lange Stehzeiten oder ungünstige Laufflächen kann zum Rehegeschehen beitragen.
Akute Klauenrehe
Die akute Klauenrehe entsteht häufig infolge einer akuten Pansenazidose. Diese kann durch eine plötzliche, erhöhte Zufuhr leicht verdaulicher Kohlenhydrate (Kraftfutter) hervorgerufen werden. Nicht selten löst sich der gesamte Hornschuh von der Lederhaut (Ausschuhen). Diese Form der Rehe ist eher selten geworden.
Subklinische Klauenrehe
Heutzutage fällt die Erkrankung in ihrer Anfangsphase selten auf (subklinische Klauenrehe). Das Klauenbein und Klauensesambein sinken in diesen Fällen allmählich oder in mehreren kurzen Schüben im Hornschuh nach unten. Dabei kann sich die Spitze des Klauenbeines ein wenig in Richtung der Sohlenfläche neigen. Bleibt diese Form der Rehe unbemerkt und somit unbehandelt entwickelt sich die chronische Klauenrehe. Lahmheiten entstehen vor allem durch Folgeschäden, den so genannten Rehe-assoziierten Klauenkrankheiten.
Chronische Klauenrehe
Nach einigen Monaten werden die Folgen einer Rehe in einer veränderten Form des Hornschuhes äußerlich sichtbar (chronische Klauenrehe). Die Dorsalwand der Klaue nimmt eine konkave Form an und die Wachstumsringe verlaufen nicht mehr parallel zueinander und zum Kronsaum, sondern divergieren in Richtung des Ballens (Reheringe).
Rehe-assoziierte Krankheiten
Zu den Rehe-assoziierten Klauenkrankheiten zählen: Einblutungen im Bereich der Sohle, die Bildung einer Doppelsohle, die Verbreiterung der Weißen Linie, der Weiße Linie Defekt, die Wandläsion, Wanddeformationen wie die Konkavität der Dorsalwand sowie Reheringe und Sohlengeschwüre. Diese Erkrankungen müssen jedoch nicht ausnahmslos durch Rehe bedingt sein, auch andere Einflüsse können solche Veränderungen an den Klauen hervorrufen.
Symptome: Eine akute Klauenrehe macht sich häufig durch die stark unter den Leib gestellten Gliedmaßen und einen klammen Gang bemerkbar. Das Beklopfen der Hornwand ist sehr schmerzhaft und in schweren Fällen tritt in Höhe des Kronsaumes eine serumähnliche Flüssigkeit aus, die das so genannte Ausschuhen (Verlust des Hornschuhes) ankündigt.
Die Folgen einer subklinischen Klauenrehe werden erst sechs bis acht Wochen nach Beginn der Erkrankung sichtbar, vor allem anlässlich der Klauenpflege. Zu diesem Zeitpunkt ist das Horn, welches in der kritischen Phase gebildet wurde, bereits in Richtung Sohlenfläche gewachsen, sodass die Folgen der Rehe sichtbar werden (s.o.). Sofern es zu Veränderungen in der Klauenform gekommen ist (chronische Rehe), wird der normale Fußungsvorgang derart gestört, dass weitere Strukturen der Gliedmaßen (Sehnen, Schleimbeutel) durch die ständige Fehlbelastung Schaden nehmen können. Kühe, die eine Rehe überstanden haben, bleiben in aller Regel Problemtiere.
Vorkommen und Aussehen: Die akute Rehe kommt nur noch selten vor und ist durch hochgradige Lahmheit, und – in extremen Fällen – Ablösen des Hornschuhs (Ausschuhen) gekennzeichnet. Ein allmähliches oder schubweises Absinken des Klauenbeines bei der subklinischen und der chronischen Rehe äußert sich erst nach mehreren Wochen in einer Deformation des Hornschuhs (Konkavität der Dorsalwand, Reheringe) sowie den mit Rehe assoziierten Erkrankungen (s.u.)
Behandlung und Vorbeuge: Aufgrund der Tatsache, dass die subklinische Klauenrehe unbemerkt verläuft, sind Behandlungsempfehlungen kaum zu geben. Vielmehr benötigen Kühe mit Anzeichen für eine chronische Klauenrehe häufiger eine funktionelle Klauenpflege. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass die Sohle einer Reheklaue nicht zu dünn geschnitten wird. Es gilt die Regel, dass zu den 5 mm Sohlendicke für jeden Millimeter Konkavität der Dorsalwand, zusätzlich 2 mm zugerechnet werden sollten. Zwecks Vorbeuge ist es ratsam bei gehäuft auftretenden Rehe-assoziierten Erkrankungen zu klären, ob die Tiere Einflüssen unterliegen, die eine Fehlgärung im Pansen bedingen. Hierzu zählen nicht nur Futterqualitätsmängel, sondern auch Fehler in der Rationszusammenstellung, dem Fütterungsmanagement oder der Zugänglichkeit von Futterplätzen und/oder Wasserstellen. Grundsätzlich gelten alle plötzlichen Veränderungen als Risikofaktoren, denen sich die Kuh nicht entsprechend schnell anpassen kann.